Wer fürchtet sich vor dem IFG ? In Anlehnung an ein traditionelles Freizeitspiel für Kinder mit einem unheilvollen Schreckgespenst im Mittelpunkt, sollte unsere Sicht der Dinge gelassen und professionell sein. Erstens wurde es als Gesetz beschlossen, zweitens ist Transparenz und Offenheit eigentlich ein Gebot der Stunde. Die Umsetzung wird auf jeden Fall spannend.
Ohne auf das Gesetz einzugehen beschränke ich mich auf die technischen Tools mithilfe derer wir künftig die Anforderungen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) bewältigen können. Während ein mögliches Prozesstool für Gemeinden über 5.000 Einwohner gerade im Fertigstellen und Testen ist kann für Gemeinden unter 5.000 Einwohner, die eine Informationspflicht nur auf Nachfrage haben, bereits jetzt eine der Lösungen vorgestellt werden. Wohlgemerkt: ein Tool von mehreren !
Entdeckung des Jahres: KI-gestützte mehrsprachige Dienste der EU
Es ist für uns vielleicht die Entdeckung des Jahres im Internet, der KI-gestützte und DSGVO-konforme mehrsprachige Dienst der EU unter der Adresse
Dort finden sich Internet-Hilfsmittel für Übersetzung und Transkription, Zusammenfassungen, KI-gestützte Antworten, barrierefreie Texte, Möglichkeiten für Transkriptionen und – für uns jetzt besonders interessant – Tools für die Anonymisierung und Klassifizierung von Texten.
Zuerst muss man sich anmelden. Das funktioniert nur mit einer Behördenadresse, also einer Mail-Adresse wie zum Beispiel xxx.yyyyy@gemeinde.ooe.gv.at. Sollte es hier Probleme geben, weise ich auf die FAQ unter https://webgate.ec.europa.eu/cas/help.html hin oder wenn jemand wie ich schon früher mit dem EU-Server experimentiert hat, gibt es Hilfe beim Zurücksetzen des Passwortes beim EU Login Helpdesk unter der E-Mail-Adresse EU-LOGIN-EXTERNAL-SUPPORT@ec.europa.eu
Der Praxistest
Mein Test des „Tools für die Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP)“ erfolgte so: Ich habe zwei PDFs hochgeladen, eines mit der Option „Ersetzen der personenbezogenen Daten“ und eines mit „Verfremden der personenbezogenen Daten“. Es dauert schon einige Minuten bis Stunden bis die neu generierten Dokumente fertig sind.
Ersetzen (Testdatei war ein Ausschuss-Sitzungsprotokoll)
PDF in das Upload-Feld des Tools ziehen und bei der Anonymisierungshilfe das Feld „Verfremden“ anklicken. Einige Minuten später wird unter „Meine Transkriptionen“ eine umgewandelte und downloadbar zur Verfügung gestelltes docx-Dokument bereit gestellt. Es wurden Namen und Orte zum Großteil durch irgendwas (oft sinnbefreites) ersetzt. Leider auch die Abkürzung GTS (Ganztagsschule) durch AUFGABEN … Aber immerhin, ein Großteil der Arbeit wurde erledigt.
Verfremden = Schwärzen (Testdatei war eine Projektbeschreibung mit Kosten und Projektpartner)
PDF in das Upload-Feld des Tools ziehen und bei der Anonymisierungshilfe das Feld „Ersetzen“ anklicken. Einige Zeit später erscheint das Dokument unter „Meine Transkriptionen“ als docx-Dokument und es wurden schwarze Balken über die recht gut erkannten Namens- und Datenfelder drübergelegt. Interessant der Bereich Kontaktinformationen, da wurde zu wenig geschwärzt. Rückgängig machen von Schwärzung ist nicht möglich.
Übrigens: wenn man sich den Inhalt von z.B. Word vorlesen lässt, dann wird der geschwärzte Teil in der Sprachausgabe einfach übersprungen. Sehr gescheit.
Schwärzung mit Adobe Acrobat Pro (Lizenzkosten)
Sollte das erstellte docx nicht genug geschwärzte Wörter und Begriffe aufweisen, dann kann man manuel nachhelfen, die Datei in PDF umwandeln und z.B. mit Adobe Acrobat Pro zusätzliche Schwärzungen einfügen. Das ist Arbeit, ich habs probiert, aber es funktioniert: Suchen/Ersetzen durch Schwärzung möglich, einzelne Wörter … Erst beim Abspeichern werden die geschwärzten Stellen tatsächlich unveränderlich geschwärzt. Natürlich kann man auch nur mit Adobe Acrobat Pro arbeiten.
Exkurs nach Deutschland
In Deutschland gibt es seit 2006 ein IFG, das allerdings nur für die Bundesbehörden gilt. Für die Landesbehörden gibt es eigene Informationsfreiheits- oder Transparenzgesetze. Den Informationszugang gibt es offenbar nur auf Anfrage. Präventive Veröffentlichungen betreffen offenbar nur Verzeichnisse und Aktenpläne. Um den Bürgern die Anfragen zu erleichtern wurde ein privates Portal aus der Internet-Taufe gehoben: „Frag den Staat“.
Meine Meinung:
Dieses Language-Tool der EU ist für einzelne Anwendungen mit einer geringen Einarbeitungszeit durchaus brauchbar. Also für Gemeinden unter 5.000 EW. Vor allem können wir uns auf ein „EU-Tool“ beziehen, wenn jemand diverse Ungenauigkeiten reklamiert. Ein Zusatztool wie Adobe Acrobat Pro (Lizenzkosten!) oder evtl. ein Gratistool wären doch fast erforderlich. Für Gemeinden über 5.000 EW ist es ein maximal ein Hilfstool.
R.HAIDER ist Amtleiter von Kremsmünster und E-Government-Beauftragter des OÖ. Gemeindebundes